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Geld bringt die Bahn auf Touren
Wie sich die Geschichte wiederholt ... Da sage keiner mehr: "Die Bahn tut
nichts"! Kaum ist Geld da - in diesem Falle 77 Millionen Euro aus der Versteigerung
der UMTS-Lizenzen -, dann wird es auch schon "verbraten". Wenn auch
nicht gerade dort, wo es der Bevölkerung am Niederrhein etwas bringen würde:
entlang der "Hollandlinie" zwischen Oberhausen und Emmerich, die in
drei Jahren die aus den Niederlanden heranrollenden Güterzüge der
"Betuwe-Route" aufnehmen muss.Stattdessen investieren Mehdorns Mannen
in die Wiederbelebung des Mitte der 80-er Jahre teilweise ausrangierten Güterknotenpunkts
Osterfeld Süd. Dabei hatten viele schon geglaubt, die Zeiten der düsteren
Unterführung Osterfelder Straße seien bald vorbei, weil die Bahn
ihre zig Kilometer Gleisstränge nicht mehr brauchen würde. Denkste!
3000 Güterwagen - vielleicht auch mehr - werden ab Ende 2004 hier zu langen
Zügen zusammengestellt. Dafür geht der "Zugbildungsbahnhof Oberhausen
West" in Lirich über die Wupper, geht die Hälfte der bislang
241 Arbeitsplätze verloren.
Aber warum jammern oder meckern? Die Bahn AG leistet eigentlich nur das, was man von ihr erwartet, was sie aber mangels Moneten über Jahrzehnte nicht konnte: Sie macht sich fit für den Wettbewerb mit dem Güterverkehr auf den Straßen, dessen Auswüchse keiner von uns wirklich will. Und das funktioniert nur, wenn sie Anlagen wie die in Osterfeld optimiert, um sie zu marktfähigen Preisen anzubieten."Wir würden gerne auch in die Hollandlinie investieren, den Gleisstrang ausbauen und dann sogar für Schallschutz sorgen", wird Bahn-Sprecher Manfred Pietschmann nicht müde zu betonen, "aber dafür brauchen wir das nötige Geld". Er wirft den Politikern, vor allem den Bundestagsabgeordneten aus den betroffenen rechtsrheinischen Wahlkreisen "Doppelzüngigkeit" vor. Und er hat damit gar nicht so Unrecht. Denn vor Ort schimpfen die Abgeordneten wählerwirksam auf die Bahn, die in Sachen "Betuwe" nicht "aus dem Quark" komme. In Berlin schaffen sie es aber nicht, einen in der Angelegenheit offenbar bockigen Verkehrsminister Bodewig von der Notwendigkeit der Investition zu überzeugen. Dass das Land zudem viel Geld in einen der Route nach unsinnigen "Metrorapid" stecken will, sorgt am Niederrhein auch nicht für Fortschritte.Dabei müsste eher die "Hollandlinie" aufgewertet werden: Warum darf ein Transrapid nicht zwischen den Flughäfen Düsseldorf und Schiphol/Amsterdam gleiten? Eine S-Bahn-Verbindung mindestens bis Wesel/Bocholt ist überfällig. Der ICE-International - ansonsten eine echte Bereicherung - kriecht über die Strecke, weil es immer noch zu viele beschrankte Bahnübergänge gibt und die Signalfolge für einen derart schnellen Zug zu kurz ist. Das nennt man denn wohl "Investitionsstau".
Interessant ist es, wie sich Geschichte wiederholt: Wäre es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach den Niederländern - und manchen Wirtschaftsbossen hierzulande - gegangen, dann wäre die erste deutsche Eisenbahn nicht zwischen Nürnberg und Fürth (1835), sondern schon ein paar Jahr früher am Niederrhein gefahren. Doch anfangs war das preußische Kabinett (in Berlin!) gegen den Eisenbahnbau.Das änderte sich erst 1845. Dann verzögerten sich Planungen und Bau der "Hollandlinie" auf deutscher Seite, während die Niederländer (wie heute bei der Betuwe-Route) ihre Strecke von Amsterdam bis Arnheim längst fertig hatten. Derweil zankte man sich in unserer Region noch über die Streckenführung. Schließlich bewirkte der Einfluss der Gutehoffnungshütte, dass die Linie über Sterkrade (und damit weit östlich an Holten vorbei) verlegt wurde. Bei all dem Geplänkel dauerte es bis Oktober 1856, dass der komplette Gleisstrang befahrbar war und der erste Zug in einen neuen Haltepunkt namens "Oberhausen" einrollen konnte.
Gut Ding will Weile haben, mag man sich damals gesagt haben. Das darf aber nicht heißen, dass sich das heutzutage wiederholen sollte. In Berlin und Düsseldorf sollten sich unsere politischen Vertreter möglichst bald darüber klar werden, was für die Region wichtiger ist: ein Prestigeobjekt oder die Lösung drängender Verkehrsprobleme.
HEINZ INGENSIEP
NRZ 29.03.2002 / LOKALAUSGABE / OBERHAUSEN
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