Oberhausener Bürgerinitiative Betuwe - so nicht ! Goto Home

 

Informationspapier

Dieser Aufsatz entstand im Rahmen des lokalen Agenda 21 Projektes in Oberhausen, Forum Stadtentwicklung, Flächennutzung, Mobilität, Arbeitsgruppe Betuwe-Linie. Der Autor ist Lothar Ebbers. ( Gründungsmitglied der Bürgerinitiative )

Bestehende Planungen, verkehrliche Bedeutung und der Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung

In den Niederlanden ist eine neue Hochgeschwindigkeits-Güterzugstrecke vom Rotterdamer Hafen zum Grenzübergang Zevenaar/Emmerich im Bau (Betuwelijn bzw. Betuweroute). Die Fertigstellung war zunächst für das Jahr 2005 vorgesehen, inzwischen ist auch vom ersten Halbjahr 2006 die Rede. Zu dieser Strecke sind Verbindungsspangen zu den Grenzübergängen Venlo/Kaldenkirchen (Zuidtak) und Hengelo/Bad Bentheim (Noordtak) geplant, die auf niederländischer Seite zunächst zurückgestellt sind. Stattdessen soll auch der Verkehr in Richtung Norddeutschland weitgehend über Zevenaar/Emmerich geführt werden.

Im Zusammenhang mit dem steigenden Güterverkehr in und aus Richtung Niederlande baut die DB Netz AG zur Zeit nördlich des Hbf. Oberhausen die Gleisspange von der Hollandbahn zur Güterzugstrecke nach Oberhausen-West zweigleisig und für höhere Geschwindigkeiten aus. Dabei wird zwar in die Güterzugtrecke Oberhausen-Osterfeld Süd/Essen-Dellwig - Oberhausen West planfrei eingefädelt, die Einfädelung in die Hollandbahn ist allerdings weiterhin plangleich. Im Rahmen einer Gesamtplanung für einen Umbau des Knoten Oberhausen ist diese Baumaßnahme der sog. 3. Abschnitt 1. Stufe.

Die Betuwelijn soll den stark zunehmenden Verkehr von und zu dem Nordseehafen Rotterdam in Zukunft verstärkt auf die Schiene bringen. Hierbei handelt es sich sowohl um Container als auch um Massengüter und zu mehr als einem Viertel um Chemiegüter (Tankwagen), worunter sich auch viele Gefahrguttransporte befinden. Schon in den letzten Jahren ist der grenzüberschreitende Güterverkehr über die Hollandbahn - entgegen sonstigen Trends im Bahngüterverkehr - merkbar gestiegen, u.a. auch durch Stillegung der grenzüberschreitenden Strecke zwischen Nijmegen und Kleve. Hierbei spielte auch die Netzöffnung für private Bahngesellschaften eine Rolle. Allerdings nutzen einige Betreiber auf dieser elektrifizierten Verbindung schwere und lautstarke Dieselloks, die insbesondere in den Nachtstunden zu unnötiger zusätzlicher Lärmbelastung führen.

Insgesamt ist die Verbesserung des Schienengüterverkehrs durch die Betuwelijn ein internationaler Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung, wenn auch die mögliche Rolle der Binnenschifffahrt im Verkehr von und nach Rotterdam stärker untersucht werden müsste. Auf jeden Fall wird die verbesserte Bahnverbindung zu einer Entlastung der Autobahnen vom steigenden LKW-Verkehr beitragen, was im Raum Oberhausen insbesondere die A3 betreffen wird.

Im Zusammenhang mit der Betuwelijn ist immer wieder von der Reaktivierung des "Eisernen Rheins" die Rede. Dabei handelt es sich um die Bahnstrecke Antwerpen - Hasselt - Roermond - Wegberg - Mönchengladbach, die die Bahnverbindung von Antwerpen ins Ruhrgebiet um mehr als 50 Kilometer gegenüber dem Weg über Aachen verkürzt. Diese Strecke hat keine direkte Bedeutung für den Verkehr von Rotterdam nach Deutschland, sie kann allerdings die Konkurrenzposition des Hafens Antwerpen gegenüber Rotterdam stärken und insofern eventuell die Verkehrsströme von Rotterdam aus verringern. Inzwischen ist die provisorische und befristete Wiederinbetriebnahme dieser Strecke, die in den Niederlanden durch ein Naturschutzgebiet verläuft, vereinbart worden.

Durch die schnelle Personenzugverbindung Amsterdam - Köln, die nach Fertigstellung der Neubaustrecke Köln - Frankfurt bis Frankfurt verlängert werden und mittelfristig stündlich verkehren soll, wird sich der Personenverkehr über die Grenze bei Emmerich voraussichtlich mehr als verdoppeln. Dies wird sowohl auf Verlagerungen von den Konkurrenten Auto und Flugzeug als auch auf Umlenkungen von den anderen Grenzübergängen beruhen. Auch insoweit kann von einem Beitrag dieser Planung zu einer nachhaltigen Entwicklung gesprochen werden.

Je nach Verwirklichung der nördlichen und südlichen Spangen wird der größere Teil des Güterverkehrs auf der Schiene von Rotterdam nach Deutschland und in die angrenzenden Staaten über Oberhausen rollen. Die Verkehre in den Norden, Osten und Südosten müssen in Richtung Herne abgeleitet werden. Hierfür stehen zwischen den Bahnhöfen Sterkrade und Oberhausen Hbf. zwei eingleisige plangleiche Spangen zur Verfügung (alte Emschertalbahn nach Osterfeld Süd und Spange südlich des ehemaligen Schlackenbergs nach Essen-Dellwig - Bottrop Süd/Gelsenkirchen Hbf.). Nach den bisherigen DB-Planungen ist bestenfalls zu einem späteren Zeitpunkt ein zweigleisiger planfreier Ausbau der erstgenannten Spange angedacht. Der Verkehr in Richtung Rheinschiene wird über die zur Zeit im Ausbau befindliche Spange nach Oberhausen-West und weiter Richtung Duisburg-Wedau bzw. Hohenbudberg geleitet, sodass wie zur Zeit kaum Güterverkehr durch den Oberhausener Hauptbahnhof laufen wird.

Seit November 2000 läuft der ICE-Verkehr mit Mehrstromfahrzeugen in der Relation Amsterdam - Köln (ohne Halt in Emmerich). Zur Beschleunigung dieser Relation ist auf niederländischer Seite ein Ausbau der Strecke Amsterdam - Arnhem auf höhere Geschwindigkeiten geplant (HSL-Oost). Auf deutscher Seite soll die Geschwindigkeit auf der Strecke Emmerich - Oberhausen weitgehend auf 200 km/h erhöht werden. Dazu ist nach der Rechtslage die Auflassung aller Bahnübergänge erforderlich. Nach bisher vorliegenden Planungen sollen alle bestehenden Bahnübergänge an der Strecke durch Über- oder Unterführungen ersetzt werden. Dies kann schrittweise erfolgen, sodass die Höchstgeschwindigkeit ebenfalls abschnittsweise angehoben werden kann.

Konsequenzen der Planungen

Der steigende und schnellere Verkehr wird die Anlieger entlang der Strecke insbesondere durch steigenden Lärm, Flächenverbrauch und Trennwirkungen, insbesondere durch die Aufhebung der Bahnübergänge, betreffen. Neben durchfahrenden Zügen sind insbesondere bremsende Güterzüge große Lärmquellen. Vor allem im Abschnitt Sterkrade - Oberhausen ist aufgrund der vielen Ein- und Ausfädelungen mit häufigen Bremsvorgängen zu rechnen. Allerdings sind moderne Fahrzeuge für den Hochgeschwindigkeitsverkehr sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr durch neue Techniken wesentlich lärmärmer als ältere, sodass der Lärm nicht unbedingt mit den steigenden Geschwindigkeiten zunimmt. Auch im Personennahverkehr ist auf dem RE 5 nach Emmerich mit dem baldigen Einsatz modernerer Fahrzeuge zu rechnen, auf den beiden RB-Linien zwischen Duisburg und Wesel verkehren bereits teilweise moderne Elektrotriebwagen.

Durch die Auswirkungen des Fahr- und Bremslärms sind nicht nur Wohngebiete in vielen Stadtteilen, sondern auch Erholungsgebiete (Kaisergarten, Volkspark Sterkrade, Hühnerheide) betroffen. Im Gegensatz zu Wohngebieten besteht zu unbewohnten Erholungsgebieten nach der geltenden Rechtslage kein Anspruch auf Lärmschutz.

Beeinträchtigt durch Lärm und Fahrtwind werden auch die wartenden Fahrgäste an den Bahnhöfen und Haltepunkten durch durchfahrende Züge. Dies ist besonders bei Durchfahrten an den Bahnsteiggleisen sehr unangenehm und auch gefährlich und kann die Attraktivität der Nahverkehrsverbindungen beeinträchtigen.

Die bislang ausreichende Streckenkapazität auf der Hollandbahn wird durch den zunehmenden Verkehr vor allem auf dem Abschnitt Oberhausen - Wesel überschritten. Hierbei ist die unterschiedliche Geschwindigkeit der verschiedenen Personen- und Güterverkehre von Bedeutung. Eine erste Machbarkeitsstudie, die im Auftrag der Euregio Rhein-Waal durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere der Personennahverkehr auch bei einem dreigleisigen Ausbau des Abschnitts zwischen Sterkrade und Wesel stark durch Folgeverspätungen durch verspätete Fernzüge beeinträchtigt wird, da sowohl ICE-Züge als auch die geplanten ICG- und SG-Züge im Fahrbetrieb Vorrang vor dem Schienenpersonennahverker (SPNV) haben. Bei dieser Untersuchung ist die zukünftige Bedeutung des SPNV auf der Strecke sehr zurückhaltend behandelt worden. Bestehende Ausbauplanungen (ITF 2. Stufe, zusätzliche Haltepunkte, mögliche S-Bahn bis Wesel) wurden nicht berücksichtigt. Insofern ist das Ergebnis der Studie ein absolutes Alarmzeichen für den Nahverkehr auf der Strecke. Die inzwischen fertiggestellte Folgestudie für eine alternative Führung des Güterverkehrs entlang der A3 lässt für Oberhausen keine Entlastung erwarten, da diese Strecke spätestens auf Oberhausener Stadtgebiet wieder in die bestehende Strecke einmünden müsste und die Probleme im Knotenbereich dadurch nicht behoben werden können. Das Ergebnis zeigt, dass zwar zwischen Emmerich und Dinslaken eine relativ konfliktarme Trasse entlang der A 3 möglich ist, anschließend aber im Raum Sterkrade-Nord / Hiesfeld eine neue Querverbindung erforderlich wird, die wegen der dichten Bebauung neue Konflikte verursacht und teilweise im Tunnel verlaufen müsste. Wegen der hohen Baukosten und der wesentlich höheren Unterhaltungskosten für zwei Strecken ist eine solche Lösung auch wirtschaftlich nicht vertretbar und wird von den Gutachtern nicht empfohlen, zumal auch dann zukünftig der Verkehr auf der Bestandsstrecke ansteigen wird und einen Kapazitätsausbau, allerdings ohne Lärmschutz, erfordern würde.

Noch gravierender als die Kapazität der Strecke zwischen Sterkrade und Wesel ist die Kapazität im Knotenbereich zwischen Sterkrade und Oberhausen Hbf. zu beurteilen. Neben den oben erwähnten drei plangleichen Ein- und Ausfädelungen liegen hier drei weitere - der Anschluss von Eisenbahn und Häfen von der Ruhrchemie (Güterverkehr), von Osterfeld Süd zum Hauptbahnhof (Personenverkehr) und von Spellen - Hamborn (Güterverkehr), wobei diese Züge zur Zeit überwiegend seitlich nach Oberhausen West geleitet werden. Durch die Vielzahl von Ein- und Ausfädelungen sowie Weichenverbindungen besteht in diesem Abschnitt auch eine erhöhte Unfallgefahr.

Das Problem von Folgeverspätungen des Nahverkehrs wird durch den Rückbau nicht zwingend betriebsnotwendiger Gleise und Weichen durch die DB Netz AG deutlich verschärft. So sind im Hbf. Oberhausen bereits durch Rückbau des Bahnsteigs 2 (Gleis 4 und 5) und Abbindung des Gleises 14 von der Hollandbahn fast alle Überholmöglichkeiten entfallen.

Bislang hat die DB Netz AG noch keine zukunftsweisenden Planungen für den Ausbau der Strecken und Knoten vorgelegt. So wurde auch beim Neubau der GHH-Autobahnbrücke kein Durchlass für weitere Gleise auf der Hollandbahn mitgebaut, obwohl die Planungen für die Betuwelijn zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschritten waren. Wenn aber der Verkehr erst einmal angewachsen ist, kann ein Ausbau nur noch mit großen Behinderungen und Einschränkungen durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang wird auf die laufende Diskussion um die Unterfinanzierung der DB Netz AG und eine mögliche Wiederverstaatlichung des Netzes verwiesen. Lärmschutzmaßnahmen müssen erst bei einem Ausbau der Strecken gebaut werden. Steigender bzw. schnellerer Verkehr auf bestehenden Strecken ergibt unabhängig von irgendwelchen Lärmgrenzwerten keinen Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen (Bestandsschutz).

Auch der in der ersten Machbarkeitsstudie vorgesehene Trassenausbau zwischen Sterkrade und Wesel (drei- bis viergleisig) sieht einen Mischverkehr zwischen Personennahverkehr und Güterverkehr, auch im Bereich einiger Haltepunkte, vor. Dies hätte den Nachteil, dass hier die Durchfahrten der Güterzüge weiterhin an den Bahnsteiggleisen stattfinden würden und eine Erhöhung der Bahnsteige auf 96 cm für einen echten S-Bahn-Betrieb mit stufenlosem Einstieg nicht möglich wäre (Durchfahrten von Güterwagen mit Lichtraumprofilüberschreitungen).

Forderungen

Zunächst sei auf die gemeinsame Resolution der auf deutscher Seite vom Ausbau der Betuwe-Linie betroffenen Anliegerstädte und verwiesen, der der Rat der Stadt Oberhausen am 23.3.99 zugestimmt hat. Eine zweite gemeinsame Resolution der betroffenen Städte lehnt die Variante einer Neubaustrecke entlang der A 3 ab und fordert den Ausbau der Bestandsstrecke. Im weiteren sollten die folgenden Anregungen und Forderungen berücksichtigt werden.

Bei der Gestaltung der neuen Bahnunter- und -überführungen müssen die Belange von Fußgängern und Radfahrern sowie insbesondere von Behinderten berücksichtigt werden. Die Gestaltung bezüglich Durchlässigkeit und Sicherheitsempfinden ist für die Akzeptanz von großer Bedeutung. Wegen der Lage im verstädterten Raum können keine Anlagen mit reinem Mindeststandard akzeptiert werden. Bei der Verlegung von bestehenden Anlagen ist darauf zu achten, dass keine Verkehrsverlagerungen in bisher nicht betroffene Wohngebiete entstehen. Ebenso sollte das Problem berücksichtigt werden, dass bisherige kleine Übergänge, an denen durch Bau von Über- oder Unterführungen zukünftig störungsfreier Verkehr ermöglicht wird, verstärkte Schleichverkehre durch Wohnstraßen nach sich ziehen können (Bsp. Rosastraße).

Zur Minderung der Trennwirkungen müssen Querungen für Fußgänger und Radfahrer an neuen Stellen eingerichtet werden, wo große Abstände zu anderen Querungen bestehen. Dies gilt beispielhaft für eine Verbindung zwischen dem ehemaligen Zechengelände in Sterkrade und dem Volkspark sowie für die Verbindung von der Dellerheide nach Barmingholten.

Wegen der großen Bedeutung der Naherholungsbereiche im Ballungsraum müssen Finanzierungsmöglichkeiten für Larmschutzmaßnahmen insb. für den Volkspark Sterkrade und den Kaisergarten auch außerhalb der jetzigen Gesetzesregelungen gefunden werden.

Bei der Gestaltung der Trasse in engbebauten Bereichen, z.B. Sterkrade-Mitte, sollte auch die Möglichkeit der Einhausung der Gleise in Betracht gezogen werden. Solche Lösungen sind sowohl bei den Neubaustrecken Hannover - Würzburg und Mannheim - Stuttgart als auch in den Niederlanden verwirklicht worden.

Bei der Gestaltung der Haltepunkte sind Durchfahrten an Bahnsteiggleisen möglichst auszuschließen. Die Wartemöglichkeiten auf den Bahnsteigen sollten einen Lärmschutz gegenüber dem durchfahrenden Verkehr bieten. Vor einem Ausbau muss außerdem eine Entscheidung über Bau oder Nichtbau einer S-Bahn Duisburg - Wesel sowie von zusätzlichen Halten (z.B. Oberhausen-Barmingholten) getroffen werden, wobei auf jeden Fall auch die schnellere RE-Verbindung mit Halt in Oberhausen-Sterkrade beibehalten werden muss.

Kurzfassungen der beiden Gutachten, die im Auftrag der Euregio Rhein-Waal erstellt wurden, sind erhältlich bei der
Euregio Rhein-Waal
Emmericher Straße 24
47533 Kleve

Lothar Ebbers 08.03.01

 


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